Yin Yang – Weiß geplant und schwarz gebaut

Gesamtschuldnerschaft und Schwarzarbeit


Wie ist die gesamtschuldnerische Haftung anzunehmen, wenn einer der Gesamtschuldner auf Basis eines Vertrags mit „Ohne-Rechnung-Abrede“ agiert hat?

Fundstelle:
LG Bonn, Urteil vom 08.03.2018 – 18 O 250/13

Sachverhalt (vereinfachte, sinngemäße Darstellung)
Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit der Planung und Überwachung von Bauarbeiten an einem Gebäude. Zugleich beauftragt er einen Bauunternehmer mit der Ausführung der vom Architekten geplanten handwerklichen Leistung. Mit dem Bauunternehmer verabredet der Bauherr (ohne Kenntnis oder Zutun des Architekten), dass dieser seine Leistung auf Basis einer Barzahlungsvergütung ohne Rechnung erbringen soll.

Das Bauwerk wird fertig; es weist mehrere Mängel auf. Diese Mängel sind durch den Bauunternehmer handwerklich gemacht worden; die Planung des Architekten war zutreffend, allerdings hat er während der Bauausführung die Bauüberwachung vernachlässigt, sodass ihm die mangelhafte Ausführung nicht aufgefallen ist.

Der Bauherr nimmt den Bauunternehmer und den Architekten als Gesamtschuldner für die Mängel in Haftung.

Zu Recht?

Problematik
Der Bundesgerichtshof und ihm folgend einige Oberlandesgerichte haben in einer Reihe von Grundsatzentscheidungen festgestellt, dass Verträge mit „Ohne-Rechnung-Abrede“ nichtig sind; die Parteien haben wechselseitig keinerlei Ansprüche. Sobald sich eine der Parteien hierauf beruft, friert das Bauvorhaben auf seinem dann aktuellen Status ein, und keiner kann vom anderen mehr irgendetwas verlangen, keine Leistungen, Nacherfüllungen, Zahlungen oder Erstattungen (vgl. frühere Veröffentlichungen zum Thema).

In Konstellationen wir der vorliegenden haften üblicherweise Architekt und Bauunternehmer gemeinsam. Der Bauunternehmer haftet unmittelbar aus dem Werkauftrag, weil er seine Pflicht zur Herstellung eines abnahmereifen, mangelfreien Werks nicht erfüllt hat. Der Architekt haftet neben ihm dafür, dass auch er einen Fehler gemacht hat: hätte er die Bauaufsicht der Objektüberwachung ordentlich erledigt, wäre der Fehler des Handwerkers bereits in der Erfüllungsphase aufgefallen und beseitigt worden, sodass es ihn bei der Abnahme nicht mehr gegeben hätte.

Beide haften gesamtschuldnerisch, was bedeutet, dass der Bauherr von beiden gemeinsam insgesamt einmal die ganze Leistung verlangen kann (also nicht von jedem die ganze Leistung, die er sonst ja zweifach erhielte, was insbesondere bei Forderungen auf Geld möglich wäre). der Bauherr kann sich aussuchen, von wem er diese Leistung fordert, kann sie also auch nur von einem fordern, der ihm dann insgesamt verpflichtet ist. Dies ist auch üblich, da die Verteilungsquote der Mitschuld zwischen den beiden Gesamtschuldnern den Gläubiger nicht interessieren will.

Der Gesamtschuldner, der die Forderung des Bauherrn erfüllt hat, kann nachfolgend vom anderen Gesamtschuldner im sog. „Innenregress“ denjenigen Anteil der Kompensationsleistung zur Erstattung fordern, der über seinen Mitverschuldensanteil am Mangel übersteigt.

Am Ende erhält damit der Bauherr einmal seine Mangelbeseitigungsforderung erfüllt, und beide Gesamtschuldner haben jeweils aus ihrem Vermögen den Teil abgegeben, der ihrem Verschuldensanteil entspricht.

Gelten diese Grundsätze auch bei teilredlichen Gesamtschuldnern, wenn einer der beiden einen Vertrag mit „Ohne-Rechnung-Abrede“ geschlossen hat?

Entscheidung
Das Landgericht Bonn hat in erster Instanz zu entscheiden gehabt – und alle Parteien waren offenbar mit der Entscheidung einverstanden, da keine Rechtsmittel eingelegt wurden.

Die 18. Zivilkammer hat die Klage des Bauherrn abgewiesen.

Der Bauunternehmer war nicht (mehr) Teil der Entscheidung – die eindeutige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte haben klar ergeben, dass er vom Bauunternehmer keinerlei Mangelbeseitigungsleistungen oder entsprechenden Schadensersatz fordern darf.

Indes: Der Vertrag mit dem Architekten war wirksam, mit ihm hatte er keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ geschlossen. Es war also durchaus der üblichen Rechtslage entsprechend, ihn auf Schadensersatz zu verklagen.

Das Landgericht hat aber sauber überlegt und die Grundsätze der Gesamtschuldnerschaft erwogen.

Würde man dem Ansinnen des Bauherrn in diesem Fall nachgeben, erhielte er vom Architekten einmal die gesamte Schadensersatzleistung für die Baumängel. Aus Sicht des Bauherrn wäre das Ergebnis also das Gleiche wie oben dargestellt: er bekäme, da es einen Schuldner gibt, von diesem die Leistung, und müsste sich mit dem Gesamtschuldnerinnenausgleich nicht befassen.

Allerdings sieht die Lage für den Architekten anders aus: „normalerweise“ kann dieser vom Handwerker als dem anderen Gesamtschuldner einen Teil seiner Schadensersatzleistung erstattet erhalten, meistens deutlich mehr als die Hälfte, oftmals (wie auch hier) sogar alles. Vorliegend aber scheidet dies aus, da der Bauunternehmer keinerlei Haftung aus dem (nichtigen) „Bauvertrag ohne Rechnung“ leisten muss, auch nicht an den Architekten: Ohne einen wirksamen Bauvertrag des Bauherrn mit dem Bauunternehmer besteht überhaupt kein Gesamtschuldnerverhältnis, welches einen Innenregress begründen könnte.

Der einzige Redliche auf der Baustelle würde also allein haften, während die beiden Unredlichen Mitspieler alle Vorteile einstreichen könnten.

Dieses Ergebnis überzeugte zu Recht nicht.

Daher hat das Landgericht Bonn den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB angewandt. Wer eine Schwarzgeldabrede trifft, soll auf seinen Gewährleistungsansprüchen buchstäblich sitzen bleiben, und auch nicht von anderen Dritten hierfür einen Ausgleich bekommen. Dies ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, den die Gerichte seit einigen Jahren konsequent umsetzen.

Die 18. Zivilkammer hat daher wörtlich geurteilt: „Der bislang ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich die Wertung entnehmen, dass derjenige, der sich gesetzwidrig verhält und Steuern und Sozialabgaben hinterzieht bzw. hieran mitwirkt, selbst das Risiko tragen muss, wenn das ausführende Unternehmen mangelhaft arbeitet. Derjenige Besteller, der eine Schwarzgeldabrede trifft, soll keine Gewährleistungsrechte in Anspruch nehmen können. Dadurch soll erreicht werden, dass Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und Steuerstraftaten möglichst unattraktiv gemacht und dadurch unterbunden werden.

Dem würde es widersprechen, wenn sich der Besteller bei dem Architekten schadlos halten könnte, hinter dem eine Berufshaftpflichtversicherung steht, und der Architekt keinen Regress gegenüber dem Bauunternehmer nehmen könnte, da dieser aufgrund des nichtigen Vertrages nicht für die von ihm verursachten Mängel haftet. Es würde dann das nichtgewünschte Ergebnis erzielt, dass der Besteller indirekt doch Gewährleistungsrechte geltend machen könnte, indem er den Architekten in Anspruch nimmt.

Das Ergebnis ist auch fair. Der Besteller hat sich durch sein rechtswidriges Verhalten selbst in die Gefahr begeben, dass er möglicherweise gegen den Bauunternehmer keinen Ersatzanspruch hat, und dem folgend gegen niemanden.

Auswirkung für die Praxis
Ein weiteres Beispiel dafür, dass die Gerichte die Gesetzeslage konsequent annehmen, bis in die unteren Instanzen.

Es kann also nur erneut davor gewarnt werden, auch nur Teile der Beauftragung „schwarz“ und „ohne Rechnung“ zu vergeben – die Nachteile überwiegen maßgeblich die Vorteile. Auch für die Handwerker ergibt sich letztlich hieraus eine Verbesserung der Lage, wenn mittelfristig die Konkurrenz wegbricht, die zu „Schwarzarbeiterpreisen“ das wirtschaftliche Preisgefüge des Markts vergiften.

 

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann
Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: Oktober 2018

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Stand: Oktober 2018