Unter notarieller Aufsicht

Schlussrate im Bauträgervertrag


Bauträger dürfen üblicherweise mit dem Baufortschritt bis zu sieben Bauraten abrufen. Oftmals wird im notariellen Kaufvertrag für die Schlussrate vereinbart, dass diese bereits vor Fertigstellung auf ein Anderkonto des Notars einzuzahlen ist.

Ist dies wirksam?

Fundstelle:
Kammergericht Berlin, Urteil vom 20. August 2019, 21 W 17/19


Sachverhalt
Ein Bauträger bietet eine Eigentumswohnung an. Der von ihm beauftragte Notar sieht im Bauträgervertrag vor, dass die vorletzte Rate bei Bezugsfertigkeit fällig wird. Die letzte Rate (3,5%) soll zur gleichen Zeit bezahlt werden, an den Notar auf dessen Anderkonto. Nach Eingang beider Raten erfolge die Übergabe des Objekts an den Erwerber.

Als die Übergabe ansteht, rechnet der Erwerber mit Schadensersatzansprüchen auf und verweigert die Zahlung der Schlussrate auf das Notaranderkonto. Der Bauträger verweigert ihm daraufhin die Übergabe.

Wer hat Recht?


Problematik
Das Werkvertragsrecht ist grundsätzlich ein Zug-um-Zug-Recht: erst leistet der Werkunternehmer, dann zahlt der Besteller nach Abnahme das Werk.

Dies ist auch im Bauträgervertragsrecht nicht anders, das zwar nach einem Kaufvertrag über ein noch zu errichtendes Gebäude aussieht, rechtlich aber als Werkvertrag über die Errichtung eines Gebäudes auf einem zugleich verkauften Grundstück angesehen wird. Daher steht als Grundsatz fest: erst muss gebaut werden, dann wird bezahlt.

Dies ist für Bauträger unauskömmlich. Sie müssen die (meistens nicht zum Unternehmen gehörenden) Handwerker bezahlen, die das Gebäude errichten – und zwar spätestens zum Ende der Tätigkeiten, was lange vor Abschluss der Baumaßnahme im Ganzen sein kann.

Um Bauträgern die notwendige Zwischenliquidität zu verschaffen, ist ihnen in § 3 Abs. 2 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) gestattet, entsprechend dem Baufortschritt bis zu sieben Raten abzurufen – der Rohbauer kann von der Rohbaurate bezahlt werden, wenn der Bauträger sie nach Fertigstellung des Rohbaus beim Erwerber abrufen kann.

Problematisch ist meistens erst die letzte Rate über (meistens) 3,5% für die „vollständige Fertigstellung des Bauobjekts“. Bis zur vorletzten Rate zum Bautenstand von 96,5% (unter vereinfachender Außerachtlassung der aus anderen Gründen gebotenen 5%-Sicherheit) der gesamten Bauaufgabe drängelt der Erwerber, da er hiernach üblicherweise das Objekt in Benutzung nehmen kann. Oftmals sind Fixtermine vereinbart, mit teilweise empfindlichen Vertragsstrafen bei Überschreitung. Auch wenn sich durchaus öfters schon Streit abzeichnen: bis zur sechsten Rate spielen beide Seiten fast immer mit, so wie der Vertrag es vorsieht.

Die letzte Rate ist für den Erwerber das einzige Geldpfand, das er hat, wenn die Leistungen des Bauträgers nicht vertragsgemäß sind. Für den Bauträger indes stellt sie mit 3,5% des Gesamtpreises keine besonders maßgebliche Größe mehr da. Wenn sich zudem kaum vermeidbare Mängel und Nacherfüllungsansprüche häufen, sinkt die Motivation des Bauträgers, sich ihrer für vergleichbar wenig Honorierung sachgemäß zu widmen.

In der Praxis entsteht daher gerade um diese letzte Rate oft Streit, der teilweise auf Jahre hinaus die Schlusszahlung (und darauf folgend: die Eigentumsumschreibung des Gebäudes auf den Erwerber) verhindert.

Daher kommen Notare – fast immer vom Bauträger beauftragt und daher zunächst dessen redlicher Wünsche verpflichtet – auf verschiedene Ideen, die Schlussratenzahlung abzusichern. Eine hiervon besteht darin, das eigene Notaranderkonto anzubieten, um die Schlussrate dort zu „parken“, sodass der Bauträger jedenfalls sicher gehen kann, dass der Erwerber das nötige Geld hat. Um diesen zur Zahlung zu motivieren, wurde vereinbart, dass diese Zahlung mit der vorletzten Rate gemeinsam Voraussetzung für die Übergabe / Besitzeinräumung sein solle.


Entscheidung
Das Berliner Kammergericht hat diese Vertragsklausel für unwirksam erklärt und den Bauträger verurteilt, den Besitz auch ohne die Schlusszahlung an den Erwerber zu geben. Dieser hatte sich gegen die Übergabeverweigerung mit einer einstweiligen Verfügung gewehrt.

Hierbei wurde zunächst festgestellt, dass es keine Bedenken dagegen gibt, die Schlussrate auf ein Notaranderkonto zu verlangen – ein Ratenzahlungsplan verstößt nicht gegen § 3 Abs. 2 MaBV, wenn er diesen Weg vorsieht.

Unwirksam ist allein die Klausel, die als Bedingung für die Besitzeinräumung diese vorherige Zahlung betrachtet und nicht – wie eigentlich üblich – nur die Zahlung der ersten sechs Raten mit insgesamt 96,5% (unter vereinfachender Außerachtlassung der aus anderen Gründen gebotenen 5%-Sicherheit).

Dies begründet das Kammergericht ganz pragmatisch: der Erwerber müsste, um seine beim Notar hinterlegte Schlussrate zu erhalten, auf Freigabe klagen, anstatt sich auf ein Zurückbehaltungs-, Minderungs- oder Leistungsverweigerungsrecht berufen zu können. Hierdurch werden seine Rechte zumindest eingeschränkt. Das Minderungsrechts werde „ausgesetzt“, bis dass beide Parteien sich abschließend einig geworden sind.

Dies widerspricht insbesondere zum Leistungsverweigerungsrecht § 309, Nr. 2 BGB, einer Vorschrift aus dem Recht Allgemeiner Geschäfts­bedingungen. Denn: Notarverträge sind fast immer zur Mehrfachverwendung geeignet und werden gerade für Bauträger oftmals viele Dutzend Male eingesetzt – damit sind notarielle Bauträgerverträge fast ausnahmslos Allgemeine Geschäftsbedingungen.

In AGB ist verboten „eine Bestimmung, durch die
(…)
a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird (…)“
(§ 309 Nr. 2 a) BGB)

Dieses Leistungsverweigerungsrecht des § 320 BGB ist so stark, dass nicht einmal eine gegenläufige Sicherheitsleistung es relativieren kann. Wenn also dieses Recht für einen Verbraucher dadurch erschwert wird, dass er erst klagen muss (was u.a. ab 5.000 € Streitwert zwingend die Einschaltung eines Rechtsanwalts bedeutet), so ist es nicht mehr unbeschränkt gewährt.

Daher hat das Kammergericht dieser Klausel die Wirksamkeit abgesprochen und geurteilt, dass jedenfalls wegen der Nichtzahlung auf das Notaranderkonto die Besitzverschaffung nicht verweigert werden durfte.


Auswirkung für die Praxis
Das Urteil steht in einer Reihe von Entscheidungen, mit denen Verbraucherrechte bei Bauträgerverträgen gestärkt werden. Zwar sind Notare grundsätzlich zur Neutralität verpflichtet – dennoch lässt sich nicht verleugnen, dass viele Bauträger, insbesondere diejenigen, die „oftmals wiederkommen“, durchaus Einfluss auf die Vertragsregelungen nehmen können. Nicht selten sind viele Klauseln enthalten, die ausschließlich den Interessen des Bauträgers dienen.

Sorgen Erwerber vor der Unterzeichnung nicht aktiv dafür, Klauseln zu verlangen, die die Rechte der Erwerber schützen, so entsteht oftmals ein Ungleichgewicht der Wertungen.

Erwerber sind daher gut beraten, den Vertrag fachkundig zu prüfen und zusätzliche Klauseln zu verlangen – § 17 des Beurkungsgesetzes gibt ihnen hierfür auch hinreichend Zeit, da der Vertrag mindestens zwei Wochen vor dem Beurkundungstermin beim Erwerber vorliegen muss.

Bauträger indes sind gehalten, möglichst frühzeitig Klärungen der Mangelpositionen und Minderungswünsche zu erreichen, auch wenn dies zum Ende eines Bauprojekts durchaus eher lästig als willkommen erscheinen mag. Denn dann bedarf es keiner Zusatzregelungen oder Bedingungen – beide Seiten wissen, was zu leisten und was zu vergüten ist.

___________________________________

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann


Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

Disclaimer

Die PSP Rechtsanwälte veröffentlichen diesen Text als Übersicht zum Thema. Der Artikel erhebt nicht den Anspruch, die Rechtsfrage vollständig, erschöpfend oder abschließen zu beantworten; er ist nicht allgemeingültig. Es bedarf einer Einzelfallprüfung zur Feststellung der Übertragbarkeit auf andere Sachverhalte. Der Artikel reflektiert die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung; spätere Änderungen sind naturgemäß nicht eingeschlossen; eine aktualisierende Überarbeitung des Artikels erfolgt grundsätzlich nicht. Daher übernehmen die PSP Rechtsanwälte keinerlei Haftung für den Inhalt des Artikels, die Übertragbarkeit auf andere Lebenssachverhalte oder Nachteile, die jemanden aus dem Vertrauen auf den Inhalt entstehen.

Der Artikel unterliegt unserem Urheberrecht; es bleiben alle Rechte vorbehalten. Wir geben die Weiterleitung und Veröffentlichung frei zur Weiterleitung und anderweitigen Veröffentlichung in Internet-Portalen unter den Bedingungen, dass sie unverändert bleiben, unser Name als Urheber genannt wird, und auf unsere Homepage https://www.psp.law verlinkt wird. Eine kommerzielle Nutzung (Entgeltlichkeit des Zugriffs) ist nicht gestattet. Soweit hier nicht modifiziert gelten im Übrigen die Bedingungen CC-BY-NC-ND 3.0 DE der Creative Commons .

Stand: September 2019

Impressum

Verantwortlich i.S.d. § 5 TMG für den redaktionellen Inhalt:

PSP Rechtsanwälte Köln
Sedanstr. 2
50668 Köln

Telefon: +49 221 921228 – 0
Telefax: +49 221 921228 – 50
E-Mail: Hier klicken
Internet: https://www.PSP.law/

Vertretungsberechtigte:
Rechtsanwalt Dr. Joachim Pietzko, Rechtsanwalt Christoph Siekmann, Rechtsanwältin Dr. Gabriele Pietzko, Rechtsanwalt Heiner Endemann, Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Jochum, alle Sedanstraße 2, 50668 Köln

USt-Id.-Nr. DE 215404407

Zuständige Aufsicht: Rechtsanwaltskammer Köln, Riehler Str. 30, 50668 Köln

Die gesetzliche Bezeichnung „Rechtsanwalt“ bezieht sich auf die geschützte deutsche Berufsbezeichnung.
Alle Berufsträger/Rechtsanwälte der Kanzlei gehören der Rechtsanwaltskammer Köln an und sind als solche in Deutschland zugelassen.

Es gelten u. a. folgende berufsrechtliche Regelungen: (vollständige Auflistung der Berufsregelungen über die Bundesrechtsanwaltskammer, dort unter „Berufsrecht„): • Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), • Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), • Fachanwaltsordnung (FAO), • Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG), • Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE-Berufsregeln), • Berufsrechtliche Ergänzungen zum Geldwäschebekämpfungsgesetz (GwG), • Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer.

Die Berufshaftpflichtversicherung besteht bei der Allianz Versicherungs-AG in 10900 Berlin. Der räumliche Geltungsbereich des Versicherungsschutzes umfasst Tätigkeiten in den Mitgliedsländern der Europäischen Union und genügt so mindestens den Anforderungen des § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).

Hinweise:
Streitbeilegung:
Wir weisen auf die Plattform der EU zur außergerichtlichen Online-Streitbeilegung hin, auch wenn wir einen Vertragsschluss über die Homepage ausdrücklich nicht vorsehen. Bei Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und Mandanten besteht die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung auf Antrag bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 73 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 BRAO). Eine weitere Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung besteht bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft bei der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 191 f BRAO).

Stand: September 2019