Quo vadis, ius architectonicus?

Neues Architektenvertragsrecht 2018


Im Zusammenhang mit der Neuregelung des Bauvertragsrechts hat der Bundesgesetzgeber auch das Architekten-Vertragsrecht geregelt – erstmalig mit eigenen bundesgesetzlichen Vorschriften, die ab dem 1. Januar 2018 in das BGB eingefügt werden. Eine erste Übersicht.

Fundstelle:

Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts (und anderer Vorschriften) vom 28.04.2017, veröffentlicht im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2017, Seite 969 ff.) am 04.05.2017

Gesetzestext:

Ausnahmsweise gibt es diesmal einen Rechtstext im Wortlaut – es lohnt sich durchaus, ihn einmal in Ruhe zu lesen.
Die maßgeblichen Vorschriften für Architekten werden in Untertitel 2 eingefügt:

„Architektenvertrag und Ingenieurvertrag“

§ 650p – Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen

(1) Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.

(2) Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.

§ 650q – Anwendbare Vorschriften

(1) Für Architekten- und Ingenieurverträge gelten die Vorschriften des Kapitels 1 des Untertitels 1 sowie die §§ 650b, 650e bis 650h entsprechend, soweit sich aus diesem Untertitel nichts anderes ergibt.

(2) Für die Vergütungsanpassung im Fall von Anordnungen nach § 650b Absatz 2 gelten die Entgeltberechnungsregeln der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der jeweils geltenden Fassung, soweit infolge der Anordnung zu erbringende oder entfallende Leistungen vom Anwendungsbereich der Honorarordnung erfasst werden. Im Übrigen ist die Vergütungsanpassung für den vermehrten oder verminderten Aufwand auf Grund der angeordneten Leistung frei vereinbar. Soweit die Vertragsparteien keine Vereinbarung treffen, gilt § 650c entsprechend.

§ 650r – Sonderkündigungsrecht

(1) Nach Vorlage von Unterlagen gemäß § 650p Absatz 2 kann der Besteller den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen, bei einem Verbraucher jedoch nur dann, wenn der Unternehmer ihn bei der Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat.

(2) Der Unternehmer kann dem Besteller eine angemessene Frist für die Zustimmung nach § 650p Absatz 2 Satz 2 setzen. Er kann den Vertrag kündigen, wenn der Besteller die Zustimmung verweigert oder innerhalb der Frist nach Satz 1 keine Erklärung zu den Unterlagen abgibt.

(3) Wird der Vertrag nach Absatz 1 oder 2 gekündigt, ist der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen entfällt.

§ 650s – Teilabnahme

Der Unternehmer kann ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen.

§ 650t – Gesamtschuldnerische Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer

Nimmt der Besteller den Unternehmer wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel an dem Bauwerk oder an der Außenanlage geführt hat, kann der Unternehmer die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Bauunternehmer für den Mangel haftet und der Besteller dem bauausführenden Unternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.

Das war es auch schon – fünf eigene Paragrafen für Architekten und Ingenieure.

 

Die Besonderheiten für Architekten und Ingenieure

§ 650q Abs. 1 BGB n.F. (neue Fassung ab 2018) verweist zunächst auf die allgemeinen Vorschriften zu Bauverträgen, die ebenfalls gelten; einiges hierzu ist bereits in der letzten OpusC [ZITIERUNG EINFÜGEN] allgemein behandelt worden.

Daneben gelten einige Besonderheiten nur für Architekten und Ingenieure, die teilweise deutliche Änderungen zum bisherigen (sehr allgemeinen) Werkvertragsrecht und der Rechtsprechung hieraus für Architekten und Ingenieure bedeuten. Ich greife im Folgenden sechs hiervon hervor:

1.
Eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut ist nunmehr auch, dass die Leistungsbilder der HOAI nicht den Inhalt der vereinbarten Leistung aufzählen – dies galt bisher auch schon: wenn (!) eine Leistung vereinbarungsgemäß, mangelfrei und abgenommen erbracht wird (Voraussetzung), dann (!) bekommt der Architekt oder Ingenieur die in der HOAI dafür angesprochene Vergütung (Folge).

Was der Architekt zu leisten hat, stand noch nie in der HOAI – und steht jetzt in § 650p Abs. 1 BGB n.F: „die Leistungen (…), die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.“ Welche Einzelschritte das konkret sind, ist im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen (und ergibt sich auch zukünftig nicht aus der HOAI). Hinzu treten die Vorlagepflichten nach Abs. 2: eine Planungsgrundlage zur Zielermittlung nebst Kosteneinschätzung.

2.
Letzteres führt zu einer Neuigkeit: nach § 650r Abs. 1 BGB n.F. steht dem Besteller (Auftraggeber, Bauherrn) ein Sonderkündigungsrecht zu, nachdem er diese Unterlagen erhält. Er hat herzu zwei Wochen ab Erhalt der Unterlagen Zeit.

Gefällt dem Besteller also die Planungsvorstellung des Architekten einschließlich der Kostenschätzung nicht, kann er ohne weitere Voraussetzungen die weitere Zusammenarbeit aufkündigen. Dies ist für den Architekten wegen einer gesetzlichen Rechtsfolge des § 650r Abs. 3 BGB n.F. beachtlich: er kann nur die bisher erbachten Leistungen abrechnen. Es gilt also nicht die Regelung des „normalen“ Werkvertragsrechts, dass der gesamte vereinbarte Werklohn geschuldet ist, abzüglich ersparter Aufwendungen oder anderer Einnahmen.

3.
Ein weiterer Aspekt ist hierbei bei Verträgen mit Verbrauchern sehr wichtig und wird vermutlich zu einigen „unangenehmen“ Erfahrungen der Architekten führen: Die 2-Wochen-Frist beginnt nur, wenn dem Verbraucher in Textform (§ 126b BGB – Briefe, Telefaxe, E-Mails, SMS – alles, was nach einer Übermittlung abspeicherbar und ausdruckbar ist) „bei der Vorlage der Unterlagen“ drei Informationen zugehen: dass er ein Kündigungsrecht hat, in welcher Frist es auszuüben ist, und welche Rechtsfolgen es hat.

Die aus dieser Vorschrift resultierende rechtliche Falle für den Architekten besteht dann, wenn dies nicht gelingt: nach der Gesetzesbegründung ist diese Unterrichtung nicht nachholbar! Wenn also nicht bei Übergabe der Unterlagen zur Planungsgrundlage zur Zielermittlung nebst Kostenschätzung in Textform richtig unterrichtet wird, besteht das Kündigungsrecht fort – und kann nicht durch Nachholen der Unterrichtung zum Erlöschen gebracht werden.

Hier wird sich sicherlich in den kommenden Jahren eine Spielwiese für Verbraucher auftun.

4.
Eine zweite Frist läuft parallel zu dieser Kündigungsfrist: Nicht nur darf der Besteller binnen zwei Wochen erklären, dass er auf dieser Basis nicht fortfahren will (Recht zur Sonderkündigung); er muss nach § 650p Abs. 2 BGB n.F. die Zustimmung in die unterbreiteten Planungen nebst Kosteneinschätzung aussprechen (Pflicht zur Zustimmung). Um diesen Schwebezustand (der keine gesetzlich festgelegte Frist hat) zu beenden, kann der Architekt dem Auftraggeber nach § 650r Abs. 3 BGB n.F eine „angemessene“ Erklärungsfrist setzen. Verweigert der Auftraggeber die Zustimmung (oder erklärt er sich innerhalb der angemessenen Frist nicht), kann der Architekt seinerseits den Vertrag kündigen. Er erhält auch dann die Vergütung für die erbrachte Leistung nach § 650r Abs. 3 BGB n.F.

Hier wird sich erweisen, welche Frist des Architekten als „angemessen“ anzusehen sein wird.

5.
Eine weitere Neuerung ist das Recht des Architekten oder Ingenieurs auf Teilabnahme seiner Leistung in § 650s BGB n.F. Dieses ist in verhandelten Verträgen bereits öfters anzutreffen gewesen – jetzt wird es zum gesetzlichen Anspruch. Ist der Architekt vollumfänglich beauftragt (was eine Abrechnung nach allen neun Leistungsphasen des § 34 HOAI nach sich zieht), kann er mit der Abnahme der eigentlichen Bauhandwerkerleistung (Ende LPH 8) eine Abnahme seiner bis dahin erbrachten Leistungen verlangen. Dies hat einen wichtigen Grund: auch künftig wird die Gewährleistungsverjährung von gesetzlich 5 Jahren mit der Abnahme beginnen – der Architekt kann seine Gewährleistungspflicht für die eigentliche Bauaufgabe somit mit der des Bauhandwerkers parallel legen und haftet für dessen Fehler nicht mehr allein, beginnend mit dem Ende des Architektengewerks (also erst mit Ende von LPH 9). Die Schlussabnahme für die Objektbetreuung löst dann nur noch deren Gewährleistungszeit aus, die anschließend und isoliert weitere 5 Jahre andauert.

6.
Die letzte heute anzusprechende Neuerung spielt im gleichen Umfeld: Für die eigentliche Bauerrichtung (abgerechnet nach LPH 8) haften Architekt und Bauunternehmer oftmals gemeinsam – der Unternehmer als eigentlicher Produzent, der Architekt dafür, dass er diese mangelhafte Ausführung nicht bemerkt und sofort abgestellt hat (Überwachungsfehler). Da dem Architekten gesetzlich zwingend eine Haftpflichtversicherung zur Seite stehen muss, ist er zur Minimierung von Insolvenzrisiken oftmals vorrangig in Anspruch genommener Mangelverursacher.

§ 650t BGB n.F. stellt dem Architekten für diese Fälle einen interessanten Einwand zur Verfügung: er kann verlangen, dass der Bauherr vorrangig Gewährleistungsrechte beim Bauunternehmer geltend machen muss. Der Architekt kann seine Haftungsleistung verweigern, bis dass der Bauherr erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung gestellt hat. Hierdurch soll zumindest bei schnell behebbaren Baumängeln eine vorschnelle Inanspruchnahme des Architekten verhindert werden.

Hierbei muss aber schon wieder differenziert werden: Diese Entlastung des Architekten greift nur bei Überwachungsfehlern. Beruht der Mangel auf seiner fehlerhaften Planung, kann der Besteller den Architekten unmittelbar in Anspruch nehmen, da § 650t BGB n.F. für diese Fälle keine Anwendung findet.

Auswirkung für die Praxis

Für Architekten und Ingenieure werden insbesondere beiden letztgenannten Neuerungen Vorteile bringen: die Haftung lässt sich bei gesamtschuldnerischer Haftung der Bauausführung mit dem Bauunternehmer verbessern, und durch die Teilabnahmemöglichkeit entfallen „Haftungsalleingänge“ des Architekten.

Auf der anderen Seite ist durch die Vorlagepflicht von Planung und Kostenschätzung mit Zustimmungspflicht und Sonderkündigungsrecht des Bauherrn auf neue Aspekte zu achten, die insbesondere im Verehr mit Verbrauchern zu empfindlichen Nachteilen für Architekten führen können, die die neuen Spielregeln nicht peinlich genau beachten.

Es wird also zumindest in der Übergangs- und Anfangszeit einer hoffentlich alsbald konsolidierten Rechtsprechung bedürfen.

 

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann
Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: Juli 2017

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Stand: September 2017