Nur wer schreibt, der bleibt?

Schriftformklauseln – einfach, doppelt oder unwirksam


In vielen Verträgen liest man, dass Änderungen oder Ergänzungen nur schriftlich erfolgen können. Wie wirksam sind solche Klauseln?

Fundstellen:
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.06.2018, 8 U 102/16
OLG Brandenburg, Urteil vom 26.07.2018, 12 U 11/17

Sachverhalte (vereinfachte, sinngemäße Darstellung)

In einem Bauvertrag ist für Stundenlohnarbeiten vereinbart, dass diese mit einem Satz von 42,50 € zu vergüten sind. Es ist dort nicht vereinbart, welche Leistungen im Stundensatz zu vergüten sind. Der Bauleiter des Auftraggebers ist mit vollumfänglicher Vollmacht ausgestattet. Er weist während der Bauzeit Zusatzleistungen im Stundennachweis mit einem Abrechnungsvolumen von 532.000 € an und zeichnet die entsprechenden Tageberichte lückenlos ab.

Als der Auftragnehmer entsprechend abrechnet, weigert sich der Auftraggeber zu zahlen. Er verweist auf eine Klausel im Vertrag:

Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Von dieser Schriftformvereinbarung kann nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden.

Er stellt sich auf den Standpunkt, die Anordnung zusätzlicher Leistungen als Vertragserweiterung habe schriftlich erfolgen müssen, um den Vertrag wirksam zu ändern. Ansonsten bleibe es bei der vereinbarten Gesamtvergütung.

Im zweiten Fall wird um eine Mehrvergütung beim Einbau eines Schwimmbades in ein Einfamilienhaus gestritten. Der Auftragnehmer behauptet, in einer Baubesprechung eine Mehrvergütung verlangt zu haben, die der Auftraggeber ausdrücklich zugestanden habe.

Nach Rechnungslegung verweist der Auftraggeber auf den Bauvertrag, in dem es wie in dem Vertrag des anderen Falls heißt:

Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Von dieser Schriftformvereinbarung kann nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden.

Die Vereinbarung in einer Baubesprechung reiche nicht aus.

Haben die zahlungsunwilligen Personen Recht?

Problematik

Es gibt sog. „einfache Schriftformklauseln“. Diese sagen sinngemäß: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.“

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass diese Regelung für den ganzen übrigen Vertrag gilt, nicht aber für die Klausel selbst, so dass diese auch „unschriftlich“ geändert werden könnte – also durch konkludentes, schlüssiges Verhalten, oder durch mündliche Änderungsabreden.

Deshalb liest man fast immer von sog. „doppelten Schriftformklauseln“, bei denen die einfache Schriftformklausel selbst ausdrücklich einbezogen wird: „Von dieser Schriftformvereinbarung kann nur durch schriftliche Vereinbarung abgewichen werden.

Nach dem Wortlaut kann damit jede Änderung (Ergänzung, Verringerung) des Vertrags nur wirksam werden, wenn sie schriftlich erfolgt sind. Ausnahmen sind ausgeschlossen.

Diese Rechtslage gilt im Bereich des Rechts Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht unbedingt. Und diesem Umfeld spielen die Fälle der Oberlandesgerichte Frankfurt und Brandenburg.

Für das AGB-Recht gilt ja stets: was geschrieben wurde, gilt als nicht geschrieben, wenn es AGB-rechtlich unwirksam ist. Eine unwirksame Klausel wird stets durch die gesetzliche Regelung ersetzt.

Die gesetzliche Regelung für Bauverträge sieht keine Schriftform vor, mit Ausnahme der Verbraucherbauverträge. Verbraucherbauverträge sind solche, bei denen ein Verbraucher die Errichtung eines Gebäudes insgesamt oder erheblicher Umbaumaßnahmen aus einer Hand beauftragt. Ob die hier besprochene Rechtsprechung dort für spätere Vertragsänderungen ebenfalls gilt, ist ungeklärt – die Ausführungen beziehen sich auf Bauverträge außerhalb des Anwendungsgebiets der Verbraucherbauverträge nach §§ 650i ff. BGB.

Soweit also gesetzlich keine Schriftform geboten ist, würde bei Unwirksamkeit der doppelten Schriftformklausel aus AGB-Recht das Ergebnis bedeuten, dass konkludente oder mündliche Änderungen wirksam sind.

In diesen Fällen würden die Auftraggeber jeweils zahlen müssen, weil die Stundenlohnarbeiten wirksam beauftragt wurden und weil die Mehrvergütung zum Schwimmbad vereinbart war. Es würde dann allerdings jeweils zu prüfen sein, ob der Sachverhalt eindeutig ist – das Beweismittel der schriftlichen Erklärung fehlt ja.

Es kommt also entscheidend darauf an, ob in Allgemeinen Geschäftsbedingungen doppelte Schriftformklauseln wirksam vereinbart werden können.

Entscheidungen

Beide Oberlandesgerichte haben dies abgelehnt.

Die beziehen sich hierbei auf § 305b BGB:

„Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen.“

In Verträgen ist es absolut üblich, viele Parameter jeweils individuell zu klären. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln meistens eine Vielzahl von Aspekten allgemeingültig. Beispielsweise ist in AGB häufig ein Zahlungsziel vereinbart, oder Verjährungslaufzeiten o.ä.

Wenn und soweit im konkreten Vertrag dann ein anderes Zahlungsziel oder eine andere Verjährungszeit vereinbart werden, muss keine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen – man muss diese nicht jeweils umformulieren oder streichen. Dies würde auch dem geschäftsvereinfachenden Sinn von AGBs zuwider laufen, die ja gerade die Vertragsverhandlungen vereinfachen und verkürzen sollen, indem nicht jeder einzelne Aspekt ausführlich besprochen, verhandelt und notiert werden muss.

Der Vorrang der Individualabrede in § 305b BGB betrifft aber eben auch spätere vertragliche Abreden, nicht nur die Erklärungen beim Vertragsschluss. Es gehen also auch alle vertragsändernden Individualabreden dem notierten Text der AGB vor.

Kurz gesagt: jede wirksame Erklärung „gewinnt“ gegenüber den AGB.

Mit diesem Gedanken haben die Oberlandesgerichte argumentiert und ausgeführt:

Sinn und Zweck des § 305b BGB, wonach vertragliche Vereinbarungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht durch abweichende AGB durchkreuzt, ausgehöhlt oder ganz oder teilweise zunichte gemacht werden können, gebieten den Vorrang der Individualvereinbarung auch bei einer doppelten Schriftformklausel.

Ansonsten würde die privatrechtsgeschäftliche Vereinbarung der doppelten Schriftformklausel erreichen können, dass § 305b BGB nicht gelte – es ist aber anerkannt, dass der Vorrang der Individualvereinbarung nicht disponibel ist, von den Parteien also nicht gegen das Gesetz geändert werden kann.

Damit haben beide Gerichte jeweils die Zahlung (grundsätzlich) zugesprochen, weil wirksam Stundenlohnarbeiten vereinbart wurden und es wohl eine Zahlungszusage für die Mehrvergütung zum Schwimmbad gab.

Allerdings konnte der Auftragnehmer im Schwimmbadfall des OLG Brandenburg die behauptete Zahlungszusage des Auftraggebers nicht beweisen, weshalb er letztlich dennoch aus diesem Grund den Prozess verloren hat.

Auswirkung für die Praxis

Der letztgenannte Aspekt ist eigentlich auch der hauptsächliche Grund der Schriftformklauseln: es soll vermieden werden, dass im Streitfall die tatsächlichen Erklärungen unklar und beweisbedürftig bleiben.

Dies zielt übrigens nicht nur auf unredliche Aspiranten ab: auch seriöse Bauvertragsparteien können sich nach längerer Zeit oft nicht sicher erinnern oder verwechseln Situationen, die in Hektik oder ablenkenden Umständen stattfanden.

Daher ist eine Verschriftlichung der Erklärungen und Abreden stets sinnvoll, und es ist weiterhin auch allen Parteien stets anzuraten, möglichst alle zentralen Aussagen schriftlich zu fixieren, damit mindestens der Inhalt, oftmals aber auch Zeitpunkt und Umstände dokumentiert sind und „Ausreißer“ hierdurch erschwert werden.

Dennoch gilt seit den Urteilen: auch mündliche Erklärungen können (jedenfalls außerhalb des Verbraucherbauvertrags, wie dargelegt) rechtswirksam sein und schriftliche Vertragsaussagen relativieren, ersetzen, ergänzen, widerlegen oder verbessern – es ist nur schwieriger, sie zu beweisen.

Anmerkung für AGB-Profis: Nach § 305c BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Dies hat der BGH bereits 2017 in einem Mietsache entschieden (Beschluss vom 25.01.2017, XII ZR 69/16). Der Gedanke dahinter ist zutreffend: wenn die beiden Parteien eines schriftlichen Vertrags sich zeitlich später erneut einig werden, also beide gemeinsam eine Modifikation wünschen und vereinbaren, so gilt dies. Es hat stärkeres Gewicht als das Interesse der Parteien, nicht durch nachträgliche mündliche Absprachen die langfristige beiderseitige Bindung zu gefährden.

Und weil dies für beide Parteien gilt, die sich ja bewusst und gewollt einig sind, gilt dies auch zu Gunsten des Klauselverwenders.

Zuletzt muss als Einschränkung (neben der Anwendbarkeit für Verbraucherbauverträge, wie gesagt) angemerkt werden, dass nur doppelte Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch diese Rechtsprechung ihre Wirksamkeit verlieren.

Haben die Parteien außerhalb von AGB eine doppelte Schriftformklausel vereinbart, kann diese selbstverständlich voll wirksam sein und spätere Änderungen der Wirksamkeitsbedingung ihrer Verschriftlichung unterwerfen.

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann


Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

Disclaimer

Die PSP Rechtsanwälte veröffentlichen diesen Text als Übersicht zum Thema. Der Artikel erhebt nicht den Anspruch, die Rechtsfrage vollständig, erschöpfend oder abschließen zu beantworten; er ist nicht allgemeingültig. Es bedarf einer Einzelfallprüfung zur Feststellung der Übertragbarkeit auf andere Sachverhalte. Der Artikel reflektiert die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung; spätere Änderungen sind naturgemäß nicht eingeschlossen; eine aktualisierende Überarbeitung des Artikels erfolgt grundsätzlich nicht. Daher übernehmen die PSP Rechtsanwälte keinerlei Haftung für den Inhalt des Artikels, die Übertragbarkeit auf andere Lebenssachverhalte oder Nachteile, die jemanden aus dem Vertrauen auf den Inhalt entstehen.

Der Artikel unterliegt unserem Urheberrecht; es bleiben alle Rechte vorbehalten. Wir geben die Weiterleitung und Veröffentlichung frei zur Weiterleitung und anderweitigen Veröffentlichung in Internet-Portalen unter den Bedingungen, dass sie unverändert bleiben, unser Name als Urheber genannt wird, und auf unsere Homepage https://www.psp.law verlinkt wird. Eine kommerzielle Nutzung (Entgeltlichkeit des Zugriffs) ist nicht gestattet. Soweit hier nicht modifiziert gelten im Übrigen die Bedingungen CC-BY-NC-ND 3.0 DE der Creative Commons .

Stand: Januar 2019

Impressum

Verantwortlich i.S.d. § 5 TMG für den redaktionellen Inhalt:

PSP Rechtsanwälte Köln
Sedanstr. 2
50668 Köln

Telefon: +49 221 921228 – 0
Telefax: +49 221 921228 – 50
E-Mail: Hier klicken
Internet: https://www.PSP.law/

Vertretungsberechtigte:
Rechtsanwalt Dr. Joachim Pietzko, Rechtsanwalt Christoph Siekmann, Rechtsanwältin Dr. Gabriele Pietzko, Rechtsanwalt Heiner Endemann, Rechtsanwalt Prof. Dr. Georg Jochum, alle Sedanstraße 2, 50668 Köln

USt-Id.-Nr. DE 215404407

Zuständige Aufsicht: Rechtsanwaltskammer Köln, Riehler Str. 30, 50668 Köln

Die gesetzliche Bezeichnung „Rechtsanwalt“ bezieht sich auf die geschützte deutsche Berufsbezeichnung.
Alle Berufsträger/Rechtsanwälte der Kanzlei gehören der Rechtsanwaltskammer Köln an und sind als solche in Deutschland zugelassen.

Es gelten u. a. folgende berufsrechtliche Regelungen: (vollständige Auflistung der Berufsregelungen über die Bundesrechtsanwaltskammer, dort unter „Berufsrecht„): • Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), • Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), • Fachanwaltsordnung (FAO), • Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG), • Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE-Berufsregeln), • Berufsrechtliche Ergänzungen zum Geldwäschebekämpfungsgesetz (GwG), • Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer.

Die Berufshaftpflichtversicherung besteht bei der Allianz Versicherungs-AG in 10900 Berlin. Der räumliche Geltungsbereich des Versicherungsschutzes umfasst Tätigkeiten in den Mitgliedsländern der Europäischen Union und genügt so mindestens den Anforderungen des § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).

Hinweise:
Streitbeilegung:
Wir weisen auf die Plattform der EU zur außergerichtlichen Online-Streitbeilegung hin, auch wenn wir einen Vertragsschluss über die Homepage ausdrücklich nicht vorsehen. Bei Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und Mandanten besteht die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitschlichtung auf Antrag bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer (§ 73 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 BRAO). Eine weitere Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung besteht bei der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft bei der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 191 f BRAO).

Stand: Januar 2019