Komm ich heut‘ nicht – muss ich morgen auch nicht

Fristsetzung zur Mangelbeseitigung


Für Nachbesserungsarbeiten sind Fristsetzungen rechtlich geboten – fast ausnahmslos. Dieser Grundsatz wird in der Baupraxis oft missachtet. Mit gravierenden, teilweise sehr teuren Folgen …

Fundstelle:

OLG Braunschweig, Urteil vom 19.09.2019, 8 U 74/18; BGH, Beschluss vom 02.12.2020, VII ZR 235/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Mängel an einem Blockheizkraftwerk (BHKW). Nach Fertigstellung, Abnahme und Bezahlung teilt der Auftraggeber dem Auftragnehmer durch anwaltliches Schreiben Ende 2009 mit, dass der Energieverbrauch der Heizungsanlage zu hoch sei. Der Anwalt des Errichters antwortet hierauf, das Werk sei „technisch völlig in Ordnung“, es bestehe keine Notwendigkeit einer Nacherfüllung.

Nach vielen Monaten der Ruhe schreibt der Anwalt des BHKW-Bestellers Ende 2014 ein weiteres Mal an den Errichter und fordert zur Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mangelbeseitigung in zweiwöchiger Frist auf, um nachfolgend hiermit die Selbstvornahme finanzieren zu können.

Der Anwalt des Errichters antwortet hierauf, für seine Mandantschaft sei der Vorgang erledigt, und die Akte sei weggelegt.

Tatsächlich weist das Blockheizkraftwerk eine Vielzahl von Mängeln auf, sodass eine Nacherfüllungsleistung nur noch im Austausch des BHKW gegen ein mangelfreies bestehen kann.

Der Auftraggeber verklagt den Errichter auf Zahlung des Kostenvorschusses zur Selbstvornahme.

Zu Recht?

Problematik

Das zivile Vertragsrecht ist seit fast zwanzig Jahren von einem Grundsatz durchzogen: der (Nach-)Fristsetzung. Dies gilt insbesondere auch im Werkvertragsrecht, welches in § 637 BGB ohnehin eine Spezialität enthält: der Möglichkeit, eine Nacherfüllung selbst vorzunehmen und dem (eigentlich nacherfüllungsverpflichteten) Werkunternehmer nicht erst den Schaden er durchgeführten Selbstvornahme aufzuerlegen, sondern vor deren Durchführung die notwendige Liquidität durch Erhalt eines ausreichenden Vorschusses fordern zu können.

Als Voraussetzung für die Geltendmachung eines solchen Anspruchs bestimmt § 637 Abs. 1 BGB, dass der Besteller dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen muss, bevor er den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen kann.

Diese „Frist zur Nacherfüllung“ umfasst hierbei zwei vorliegend entscheidende Merkmale: die Aufforderung zur Mangelbeseitigung, und eine Fristsetzung hierfür.

Dies klingt eigentlich recht überschaubar und einfach, und so ist auch die Vorstellung des Gesetzgebers gewesen: der Auftraggeber soll den Mangel benennen (wobei die Beschreibung der Symptome ausreicht), und dem Unternehmer mitteilen, dass er die Beseitigung dieser Mängel wünscht. Um hiernach feststellen zu können, ob dies gelungen ist, und keine Blockade- oder Wartelage zu schaffen, ist zudem eine (angemessene) Frist zu setzen, mit deren Ablauf einfach geprüft werden kann, ob die Nacherfüllung erfolgt ist, oder eben nicht. Wenn nicht, entstehen durch den ungenutzten Fristablauf weitere Ansprüche – beispielsweise der Vorschussanspruch zur Selbstvornahme.

Fraglich und streitentscheidend war vorliegend, ob dies vom Auftraggeber richtig durchgeführt wurde.

Entscheidung

Das Landgericht Göttingen in erster Instanz gab dem Besteller Recht und verurteilte den BHKW-Errichter zur Zahlung eines im Prozess festgestellten, geschätzten Selbstvornahme-Vorschusses von etwa 54.000 €.

Das Oberlandesgericht Braunschweig verwarf auf Berufung des Errichters diese Entscheidung und wies die Klage ab – es bestehe kein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Selbstvornahme der Nacherfüllung.

Der Anwalt des Auftragebers hatte vorliegend zwei Erklärungen für seinen Mandanten (Auftraggeber) abgegeben, die das OLG Braunschweig sich genau angesehen hat:

2009 rügte er, dass der Energieverbrauch der Heizungsanlage zu hoch sei.

2014 forderte er zur Vorschusszahlung mit Fristsetzung auf.

Auch im Zusammenspiel beider Erklärungen reichte dies dem OLG Braunschweig nicht.

Die erste, ältere Erklärung lasse zwei Aspekte vermissen: es fehle sowohl an der Aufforderung, den Mangel zu beseitigen, noch an einer Fristsetzung.

Diese Aussage darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: die Mitteilung, dass es einen Mangel gebe, ist keine Aufforderung, ihn auch zu beheben. Der Bundesgerichtshof hat keinen Anlass gesehen, in diese Entscheidung einzugreifen, und die Nichtzulassungsbeschwerde des Errichters gegen die Entscheidung zurückgewiesen.

Letztlich kam es vorliegend aber auf diesen Aspekt auch nicht entscheidend an, denn eindeutig fehlte es dem Schreiben an einer Fristsetzung für irgendeine Handlung.

Vorliegend – ohne dass es für diese Darstellung relevant wäre – war im Übrigen das Paket der Mängel, die das Landgericht Göttingen seiner Kostenschätzung im positiven Urteil zu Grunde legte, nicht identisch mit Mängeln, die einen erhöhten Energieverbrauch auslösten; diese konnte der BHKW-Besteller nicht beweisen. Damit bezog sich das Schreiben letztlich sogar nicht einmal auf diejenigen Mängel, die später tatsächlich gefunden und bewiesen wurden.

Diesen „Fehler“ hat der Rechtsanwalt des Auftraggebers sodann 2014 auch nicht etwa korrigiert, als er zur Vorschusszahlung mit Fristsetzung aufforderte. Denn: auch dieses Schreiben enthielt keine Aufforderung zur Nacherfüllung. Der Auftraggeber und sein Anwalt waren gedanklich schon „eine Runde weiter“ und forderten zur Ersatzleistung auf, die erst nach ungenutzter Nacherfüllungsfrist entsteht. Die dafür notwendige „erste Runde“ des Nacherfüllungsverlangens mit Fristsetzung war diesem Schreiben naturgemäß nicht (mehr) zu entnehmen.

Das Oberlandesgericht hat sodann noch die Ausnahmeregelung zur Fristsetzung geprüft – obwohl es mangels der Aufforderung zur Mangelbeseitigung hierauf eigentlich gar nicht ankam. Eine Fristsetzung kann nämlich ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn der Werkunternehmer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert (§§ 637 Abs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Diese Ausnahme ist tatsächlich eher selten anzutreffen. Es sind an die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen: Das Verhalten des Werkunternehmers muss zweifelsfrei die Annahme rechtfertigen, dass es ausgeschlossen erscheint, er werde sich von einer Fristsetzung zur Mängelbeseitigung bewegen lassen. Im bloßen (prozessualen) Bestreiten von Mängeln liegt daher übrigens auch nicht ohne Weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung, denn das Bestreiten ist ein prozessuales Recht des Schuldners.

Das OLG Braunschweig hat daher die Reaktion des Errichter-Anwalts 2009 auch nicht als ernsthafte und endgültige Erfüllungsweigerung gewertet, in welchem das Werk des Unternehmers als „technisch völlig in Ordnung“ bezeichnet wurde, mit der Auffassung, dass keine Notwendigkeit zur Nachbesserung bestehe. Dieses Schreiben las der Senat als Antwort auf die konkrete Mangelrüge (die nicht bewiesen wurde) und nicht als generelle und allgemeingültige Verweigerung des Befassens mit allen denkbaren (und nicht gerügten) Mängeln.

Die zweite Reaktion 2014 hat ebenfalls für das OLG Braunschweig keine Ausnahme von einer Fristsetzung getragen. Die Antwort, „die Angelegenheit ist für meine Mandantschaft erledigt“ bezog sich ebenfalls auf den 2009 gerügten und (berechtigt) zurückgewiesenen Mangelpunkt. Die Äußerung der Beklagten könne, so der Senat, nicht dahingehend verstanden werden, dass sie jede Nachbesserung an der streitgegenständlichen Anlage ablehne, sondern nur, dass sie keine Zahlung vornehmen werde und der Meinung gewesen ist, dass die Angelegenheit durch die vorangegangenen Auseinandersetzungen beendet sei.

Damit bestanden die notwendigen Voraussetzungen nicht – die Klage wurde abgewiesen.

Auswirkung für die Praxis

Die oben dargelegte gesetzliche Vorgabe einer „Fristsetzung zur Nacherfüllung“ scheint dann doch komplizierter zu sein, als man denken möchte. Es gibt eine Fülle von Urteilen mit der gleichen Richtung wie das hier besprochene: wird nicht strikt ein Mangel mindestsens in seiner konkreten Symptomatik gerügt, und wird nicht zur Beseitigung dieses Mangels als Handlungsvorgabe aufgefordert, und wird dies nicht mit einer Frist verbunden – so gibt es keine Ansprüche des Auftraggebers aus der vermeintlich „nicht erfolgten Nacherfüllung“.

Zwei Aspekte sind zusätzlich kurz anzusprechen:

Die Frist muss nach dem Gesetz angemessen lang sein. Hierbei gilt aber, dass eine unangemessen kurze Frist durch eine angemessen längere Frist automatisch ersetzt wird (man denkt sich das richtige Datum einfach in den Text als Ersetzung hinein). Dies klingt vorteilhaft – aber wenn der Fristsetzende im Vertrauen auf die zu kurze Frist nach deren Ablauf bereits tätig wird, und danach (noch während der Laufzeit der längeren, angemessenen Frist) bietet der Werkunternehmer ernsthaft die Nacherfüllung noch an, geht die Kollision dieser Situation meistens zu Lasten des Auftraggebers aus. Es kann daher nur angeraten werden, ausreichend lange Fristen zu setzen.

Zudem – und hierauf weist der Senat des OLG Braunschweig in der Entscheidung richtig hin – muss der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Abnahme bestanden haben. Dass ein Zustand nach rein zeitlich nach dem Moment der Abnahme eingetreten ist, bedeutet nicht automatisch, dass der Mangel bereits bei Abnahme vorlag. Vorliegend sprach einiges dafür, dass ein Defekt eines Geräteteils als Folgeschaden die meisten der Mangelprobleme ausgelöst hat – dies wäre bei näherer Befassung vermutlich ein weiterer Ausschlussgrund für den Vorschussanspruch des Bestellers gewesen.

Der Auftraggeber hat vorliegend also auf ganzer Linie verloren – teilweise durch fehlende Beweise, vor allem aber, weil er die gebotenen Erklärungen nicht richtig abgegeben hat.

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Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: März 2021

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Stand: März 2021