Keine Verjährung nach Eintritt der Verjährung

Verjährungshemmung und Verjährungsverzicht


Mangelbeseitigungsarbeiten können sich ebenso auf den Lauf der Verjährungszeit auswirken wie Anerkenntniserklärungen oder Einredeverzichte. Gilt das auch noch nach Eintritt der Verjährung? Wie lange?


Fundstelle:
OLG Hamburg, Urteil vom 15.08.2019, 3 U 155/16;
OLG Celle, Urteil vom 15.06.2017, 6 U 2/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen BGH, Beschluss vom 25.10.2017, VII ZR 145/17)


Sachverhalt
Ein Bauherr lässt zwei Mehrfamilienhäuser errichten und beauftragt ein Dachdeckerunternehmen mit Lieferung und Montage von Folienabdichtung für das Tiefgaragendach. Die Leistung wird nach Durchführung im November 2006 abgenommen; es ist unter Geltung der VOB/B eine zweijährige Gewährleistungszeit vereinbart.

Im September 2008 erfolgt eine erste Mängelanzeige wegen Durchfeuchtung des Dachs der Tiefgarage. In den folgenden Jahren erfolgen verschiedene Mangelbeseitigungen und Untersuchungen durch den Dachdecker.

Nachdem immer wieder Durchfeuchtungen auftreten, beantragt der Bauherr Anfang 2014 ein selbständiges Beweisverfahren. Der Anwalt des Dachdeckers beruft sich für ihn sofort auf Verjährung. Es wird ein Sachverständigengutachten erstellt, das einen Mangelbeseitigungsaufwand für erhebliche Abdichtungsmängel von fast 60.000 € ermittelt.

Daraufhin verhandeln die Parteien über Nachbesserungsarbeiten; in diesem Rahmen erklärt der Anwalt des Dachdeckers: „Mein Mandant ist bereit, die festgestellten Mängel, soweit sie seinem Gewerk zuzuordnen sind, abzustellen und zu beseitigen.“ Kurz danach wechselt der Dachdecker den Anwalt – der neue Rechtsvertreter stellt sodann fest, angesichts der klaren Verjährungslage werde keine Nacherfüllung durch den Dachdecker mehr erfolgen.

Zu Recht?


Problematik
Die erste Verjährungszeit für Gewährleistungsmängel lief vom 30.11.2006 bis 30.11.2008. Bis zum Ablauf war unstreitig keine Nacherfüllungsleistung erbracht worden. Allerdings sorgte die Mangelanzeige vom Herbst 2008 nach § 13 Nr. 5 VOB/B für eine neue Verjährungszeit bis Herbst 2010.

Während dieser Zeit wurden nur punktuelle Nacherfüllungsleistungen erbracht, sodass durchaus der Gedanke aufkommen konnte, dass für den Rest jedenfalls im Herbst 2010 Verjährung eingetreten sei.

Damit drehte sich ein guter Teil des Streits um die Frage, welchen Umfang und welche Auswirkungen die Nachbesserungen und Untersuchungen zwischen 2008 und der Einleitung des Selbständigen Beweisverfahrens 2014 hatten.

Allerdings hat der Dachdecker (durch seinen früheren Anwalt) während des Verfahrens erklärt: „Mein Mandant ist bereit, die festgestellten Mängel, soweit sie seinem Gewerk zuzuordnen sind, abzustellen und zu beseitigen.

Diese Erklärung könnte ein Anerkenntnis der Leistungspflicht sein, welches ebenfalls nach dem Gesetz geeignet ist, die Verjährungsfrist zu hemmen und dadurch vorliegend dem späteren Einwand der Verjährung durch den neueren Anwalt des Dachdeckers entgegen zu wirken.

Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass zwei Aspekte gegen diese Auslegung sprechen: die Verjährung war durch Einleitung des Selbständigen Beweisverfahrens bereits gehemmt, sodass eine solche Erklärung während der Laufzeit eines Verfahrens für den Verjährungslauf keine eigene Wirkung entfalten könne. Vor allem aber ist anerkannt, dass nach Ablauf der Verjährung ein Anerkenntnis der bereits verjährten Forderung in dieser Form nicht mehr möglich ist – die Annahme einer neuen Schuld ohne Bezug auf das verjährte Vertragsverhältnis setzt aber eindeutige (und hier nicht vorliegende) Umstände bzw. Erklärungen voraus.

War der Anspruch bei Einleitung des Selbständigen Beweisverfahrens bereits verjährt – und: hat die Erklärung des ersten Anwalts des Dachdeckers dies relevant verändert?


Entscheidung
Das OLG Hamburg hat wie bereits das Landgericht Hamburg gegen den Dachdecker entschieden – der Beklagte durfte sich nicht auf Verjährung berufen.

Zunächst haben beide Gerichte die zeitlichen Abläufe der Geschehnisse geprüft und sind hiernach zu dem Ergebnis gekommen, dass die Untersuchungen in den Jahren zwischen 2008 und 2014 sich jeweils auf die gesamte Tiefgaragenabdichtung bezogen und daher jeweils die Gewährleistungsfrist neu in Gang gesetzt haben. Hier ist auch durch die Gerichte der teilweise fehlende Sachvortrag der Parteien als Maßstab genommen worden – also prozessuales Verhalten im Einzelfall, das nicht für alle vergleichbaren Fälle gelten kann. Ebenso wurde überlegt, ob die Ereignisse dieser Zeit möglicherweise als „Verhandlungen“ im Sinne des § 203 BGB gewertet werden müssten – auch hierzu fehlte dem OLG-Senat der Vortrag der Parteien.

Aber für das Oberlandesgericht kam es hierauf auch gar nicht an: allein der anwaltliche Satz „Mein Mandant ist bereit, die festgestellten Mängel, soweit sie seinem Gewerk zuzuordnen sind, abzustellen und zu beseitigen.“ hat die Entscheidung geprägt.

Es kam für das OLG gar nicht darauf an, ob diese Erklärung im Jahr 2015 nach Ablauf der Verjährung erfolgte, oder während der noch laufenden Verjährungszeit. Es kam somit auf die Frage, ob es formell ein Anerkenntnis oder eine neue Schulderklärung sei, ebenfalls nicht an.

Für den Senat stellte dieses Schreiben einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung dar.

Dieser ist auch nach Eintritt der Verjährungszeit, und damit letztlich komplett unabhängig vom Lauf der Verjährung möglich.

Die „Einrede der Verjährung“ bedeutet, dass der Ablauf der Verjährungszeit dem Schuldner der Leistung eine Einrede gewährt. Dies ist wie ein Joker im Kartenspiel, mit dem man die Inanspruchnahme abwehren kann – ist die Forderung verjährt, kann der Schuldner sich auf Verjährung berufen und muss nicht mehr leisten. Diese Folge tritt aber nicht von Gesetzes wegen ein: der Schuldner muss sich darauf berufen, den Joker also aktiv ausspielen. Er muss „die Einrede erheben“.

Natürlich kann man (um im Bild zu bleiben) vertraglich vereinbaren, dass Joker im aktuellen Spiel nicht genutzt werden dürfen – man kann sich darauf verständigen, dass die Einrede der Verjährung als schuldverhinderndes Gegenmittel nicht gelten darf.

So wurde die Erklärung gewertet, der Dachdecker werde die Nachbesserungen noch vornehmen.

Diese Lesart setzt für den Fall der Erklärung nach Eintritt der Verjährung (wie hier) allerdings voraus, dass dem Erklärenden bewusst war, dass die Verjährungsfrist schon abgelaufen ist, oder dass er dies jedenfalls für möglich hielt. Dies hat der Senat vorliegend angenommen, weil bereits direkt nach Einleitung des Selbständigten Beweisverfahrens diese Einrede einmal erhoben wurde – damit war klar, dass eine Verjährung jedenfalls für den Dachdecker denkbar war. Wenn er danach erklärt, er verzichte auf die Einrede der Verjährung, dann ist dies wirksam.

Da somit die Einrede der Verjährung insgesamt für den Dachdecker entfallen war, und ansonsten keine erfolgreichen Verteidigungsmittel vorlagen, wurde er zur Zahlund der Kosten der von ihm nicht durchgeführten Nacherfüllungsleistungen zur Tiefgaragenabdichtung verurteilt.


Auswirkung für die Praxis
Es ist durchaus üblich, bei Fällen mit langem Zeitlauf den Einwand der Verjährung zu erheben. Der Schuldner muss zunächst nur vortragen, wie lange der erste Verjährungszeitraum war, und die Einrede erheben – es ist dann am leistungseinfordernden Gläubiger, die Fakten vorzutragen und ggf. zu beweisen, die für eine Verlängerung der Verjährungszeit sprechen.

Mit der (gut nachvolziehbaren) Entscheidung des OLG Hamburg muss diese Üblichkeit vorsichtiger eingesetzt werden – denn es zeigt automatisch, dass der Lauf der Verjährung und der mögliche Ablauf der Verjährungszeit dem Schuldner bewusst ist.

Wenn er dann zu einem späteren Zeitpunkt eine Erklärung abgibt, die als Einredeverzicht bzgl. der bereits erhobenen Einrede der Verjährung gewertet werden kann, ist der ganze Joker der Verjährung dauerhaft verpufft und alle anderen Aspekte des Falls müssen zur Bewertung von Sieg oder Niederlage herangezogen und geprüft werden.

Hier kommt dann zudem die zitierte Entscheidung des OLG Celle aus 2017 ins Spiel. Dort hatte ein Bauunternehmer noch während der laufenden Gewährleistungszeit geschrieben, er „verzichtet bezüglich der Mängel (…) bis zu deren endgültiger Abstellung auf die Einrede der Verjährung„. Eindeutig eine Erklärung des Verzichts auf diese Einrede, wie im vorliegenden Fall.

Das OLG Celle hat zusätzlich die Frage zu beantworten gehabt: wie lange gilt dieser Verzicht auf die Einrede der Verjährung.

Die konsequente Entscheidung: für immer. „Immer“ bedeutet im Rechtssinn: 30 Jahre, bis zur absoluten Obergrenze der Verjährung für Rechtsgeschäfte nach § 187 Abs. 2 BGB. Man kann nicht in einem Vertrag eine längere Verjährung als 30 Jahre vereinbaren – damit ist dies die Obergrenze sowohl für vertragliche Gewährleistungsansprüche als auch für den Vertrag über den Verzicht auf die Einrede der (anderen) Verjährungen.

Wenn also auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden soll, ist es sehr ratsam, diesen Verzicht zu befristen. „Ich verzichte bis zum …. auf die Einrede der Verjährung“ – oder „wird für sechs Jahre auf die Einrede der Verjährung verzichtet“. Nach Ablauf dieser Zeit steht dann die Einrede wieder frei zur Verfügung – muss aber dann natürlich ausgesprochen, also erhoben werden.

Auf der anderen Seite stehend bedeuten Erklärungen zur Durchführung von Nacherfüllungsleistungen in Kenntnis einer möglichen Verjährung einen guten (meistens zeitlich unbeschränkten) Einstieg in eine sehr lange Gewährleistungszeit. Eine spannende, neue Spielwiese.

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Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann


Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: Januar 2020

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Stand: Januar 2020