Grundlegendes – zu beachten

Überwachungspflichten des Architekten


Handwerkliche Selbstverständlichkeiten muss ein Architekt nicht überwachen, wenn es keinen besonderen Anlass oder eine eigene Vereinbarung gibt. Bei der Einsortierung solcher Leistungen empfiehlt sich zurückhaltende Vorsicht, wie ein aktueller Fall zeigt.

Fundstelle:

OLG Stuttgart, Urteil vom 09.07.2019, 10 U 14/19; BGH, Beschluss vom 15.04.2020, VII ZR 164/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Sachverhalt

Ein Bauherr beauftragte 2011 einen Architekten mit Planung und Überwachung der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage und Carport. Der Architekt plante den Keller als „WU-Keller“, also wasserundurchlässig als „weiße Wanne“. In das Leistungsverzeichnis schrieb er, dass „unter der Bodenplatte des teilunterkellerten Hauses und seitlich an den Fundamenten eine Dämmung aus geschlossenzelligem, extrudiertem Polystyrol (XPS) zu liefern und mit Stufenfalz lückenlos einzubauen“ sei. Das Bauwerk wurde errichtet und 2012 abgenommen.

2013 kam es nach Starkregen zu einem Wassereinbruch im Keller. Es erwies sich, dass unter der statisch tragenden Bodenplatte und im Streifenfundament keine XPS-Dämmung befand; vielmehr wurde dort eine Dämmung aus expandiertem Polystyrol (EPS) eingebaut, ohne bauaufsichtliche Zulassung für die Verwendung unter tragenden Bodenplatten sowie bei drückendem Wasser.

Der Bauherr begehrt von Architekt und Handwerksunternehmen Vorschuss für die Mangelbeseitigung und weitere Schäden, die ihm entstanden sind und noch entstehen werden (insbes. Mietausfall).

Zu Recht?

Problematik und Entscheidung

Der Fall ruft mehrere Themenfragen auf: Ist die Bodenplatte mangelhaft? Welche Maßnahmen sind zur Mangelbeseitigung zumutbar? Haftet neben dem Bauunternehmer auch der Architekt?

Die erste Frage, ob die Bodenplatte mangelhaft ist, beantwortete das OLG Stuttgart eindeutig. Eine EPS-Dämmung ist etwas anderes als eine XPS-Dämmung. Ein Sachmangel besteht sowohl nach BGB als auch nach VOB/B immer dann, wenn das Werk die vereinbarte Beschaffenheit hat und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht. Beides ist vorliegend nicht der Fall, da im Leistungsverzeichnis eine konkrete Dämmungs-Polysterol vorgegeben war, nämlich ein „extrudiertes“; eingebaut wurde ein „expandierendes“. Der Unterschied ist nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen vorliegend auch ursächlich für das eindringende Wasser, sodass die Ausführung weder der vertraglichen Beschaffenheit (Produktvorgabe und Angabe „wasserundurchlässig“) entsprach noch den allgemein anerkannten Regeln der Technik (keine bauaufsichtliche Zulassung unter statisch tragenden Bauteilen und im Bereich von drückendem Wasser).

Die zweite Frage zielte darauf ab, dass die Kosten der Mangelbeseitigung möglicherweise unverhältnismäßig wären – die Vorschusskosten des Bauherrn waren auf Abriss der Hauses bis zur Bodenplatte, Austausch der Dämmung, und dann Neuerrichtung des Hauses gerichtet, mit Kosten von gut 200.000 Euro.

Ein Anspruch auf Mängelbeseitigung besteht gem. § 13 Abs. 6 VOB/B bzw. § 635 Abs. 3 BGB dann nicht, wenn die Mangelbeseitigung einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordert. Das kann dann der Fall sein, wenn Mängel nur durch Neuherstellung des Werkes zu beseitigen sind und das Interesse des Auftraggebers an der Neuherstellung im Verhältnis zu den durch die Neuherstellung entstehenden Kosten unverhältnismäßig ist.

Es ist also abzuwägen: steht der für die Mängelbeseitigung erforderliche Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Interesse des Auftraggebers an der Mangelbeseitigung? Die Frage ist in dieser Richtung gestellt: Unverhältnismäßig ist der Aufwand nur dann, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung im Verhältnis zu den dafür erforderlichen Aufwendungen unter Abwägung aller Umstände ein Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Dieser Gedanke ist also als Ausnahme formuliert.

Die Ausnahme ist also in der Regel nicht gegeben, wenn der Bauherr objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung hat, z.B. weil die Funktionsfähigkeit des Werkes erheblich beeinträchtigt ist. Dies dürfte bei eindringendem Wasser im Keller eindeutig anzunehmen sein.

Das Gericht hat sich hierbei auch mit Ausweichlösungen beschäftigt, und diese verworfen. Insbesondere eine vom Bauunternehmer vorgeschlagene Ringdrainage mit Hebeanlage zur Beseitigung des drückenden Wassers – technisch wohl möglich und funktionierend – wurde nicht akzeptiert, da sie nicht werkvertraglich geschuldet sei.

Hier erinnerte das Gericht an einen gerne übersehenen Aspekt: Maßgeblich für den Umfang der Mängelbeseitigung ist das vertraglich geschuldete Werk. Diesen Zustand hat der Unternehmer herzustellen. Eine Mängelbeseitigung, die nicht den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführt, muss der Besteller grundsätzlich nicht akzeptieren. Der Bauherr brauchte sich also auch nicht auf eine Sanierung verweisen zu lassen, die nicht der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung genügt – eine Ringdrainage ist etwas anderes als eine Dämmung aus wasserundurchlässigen Platten.

Dies wird im Umkehrschluss auch deutlich: der Einwand der Unverhältnismäßigkeit kann nicht dazu führen, dass der Auftraggeber im Rahmen der Nacherfüllung ein vertraglich nicht geschuldetes Werk akzeptieren muss. Dies ist zentral.

Ansonsten würde der Inhalt der Nacherfüllungspflicht durch die Kostenverhältnismäßigkeit abgeändert, was im Gesetz nicht vorgesehen ist, das bei erfolgreichem Einwand nicht von einer anderen Nacherfüllung spricht, sondern von einem Minderungsrecht.

Das Gericht hat also entschieden, dass der Bauunternehmer den Kostenvorschuss von gut 200.000 Euro für Abriss und Neuerrichtung und zudem Mietausfallschäden zu bezahlen habe, zusammen mehr als 300.000 Euro.

Die dritte Frage betraf dann den Architekten. Dieser hatte sich zusätzlich damit verteidigt, dass er für den Lieferfehler ebensowenig hafte wie für den fehlerhaften Einbau; er habe hiervon nichts gewusst, und mangels Verschuldens hafte er nicht für Nachteile.

Das sah das Oberlandesgericht (wie auch schon vorher das Landgericht) in Stuttgart anders. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17) steht dem Bauherrn ein Schadensersatzanspruch auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags für die Mangelbeseitigung eines Überwachungsfehlers zu, der sich im Bauwerk in Form der falschen unter der Kellerbodenplatte eingebauten Dämmung verwirklicht hat.

Denn im Rahmen der Objektüberwachung (abzurechnen nach Leistungsphase 8) hat der Architekt durch eine Kontrolle der Bauarbeiten zu gewährleisten, dass diese entsprechend der Baugenehmigung, den planerischen Vorgaben und dem Inhalt der Leistungsbeschreibungen sowie nach den Weisungen des Auftraggebers ausgeführt werden. Dazu hat er – zumindest stichprobenartig – die gelieferten bzw. verwendeten Materialien und die Arbeiten der einzelnen Bauunternehmer zu überprüfen. Der Umfang dieser Kontrolle richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Als Richtschnur soll gelten, dass der Architekt keine „handwerklichen Selbstverständlichkeiten“ überwachen muss, ihn aber eine gesteigerte Überwachungspflicht für besonders wichtige Bauabschnitte mit typischen Gefahren trifft. Dies ist besonders der Fall bei besonderen Anhaltspunkten für drohende Mängel und bei erkennbarer Unzuverlässigkeit der die Arbeiten ausführenden Handwerker trifft, aber auch generell für Abdichtungs-, Dämmungs- und Isolierungsarbeiten, Ausführung eines Kellers als „Weiße Wanne“ und alle Bereiche der Bauphysik.

Hätte der Architekt dies getan, wäre ihm vor der Verlegung der richtigen – tragfähigen – XPS-Dämmung unter der Kellerbodenplatte vor Ort aufgefallen, dass diese nicht geliefert worden war (was sogar auf den Verpackungen deutlich notiert war). Dies war rechtzeitig vor oder bei Einbau der Bodenplatte zu tun, um eine gegebenenfalls notwendige Nachbesserung ohne zu großen Aufwand zu ermöglichen. Nachdem die Dämmung unter der Bodenplatte angesichts der Wasserbelastung und der Belastung aus der Statik besondere Eigenschaften aufweisen musste, musste in diesem Zusammenhang auch die Qualität der Dämmung überprüft werden, diese Pflicht unterstreicht das OLG Stuttgart ausdrücklich: Hierfür hätte der Architekt gegebenenfalls einen Termin mit dem Handwerker vereinbaren müssen, der ihr eine solche Überprüfung auf der Baustelle ermöglichte. Dass statt der vertraglich vereinbarten XPS- eine EPS-Dämmung verlegt war, war anhand der grobporigen Struktur von EPS im Vergleich zur geschlossenporigen Struktur von XPS ohne weiteres erkennbar. Für besonders wichtige Bauabschnitte mit typischen Gefahren gilt eine gesteigerte Überwachungspflicht. Bei der Verwendung des richtigen Dämmmaterials unter der tragenden Bodenplatte ging es vorliegend letztlich um die Standsicherheit des Gebäudes!

Der Architekt haftet daher neben dem Bauunternehmer für Abriss und Neubau des Gebäudes sowie die zusätzlichen Schäden, die durch diese Maßnahme entstanden sind und noch entstehen werden.

Auswirkung für die Praxis

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung nicht zur Revision angenommen. Die zentralen Leitsätze der Entscheidung sollten sich Architekten und Handwerker merken, um deutlich kostenträchtige Nacherfüllungsarbeiten zu vermeiden:

Erfüllt ein Werkteil nicht die vereinbarte Funktion, liegt stets ein Mangel vor, der nachzuerfüllen ist. Die Ausflucht, die Kosten der Mangelbeseitigung wären rechtsmissbräuchlich hoch, scheidet immer dann aus, wenn der Bauherr ein nachvollziehbares Interesse an der nicht-erreichten Funktionalität hat. Buchstäblich: „koste es, was es wolle“.

Der Architekt muss – da er für die gleichen Kosten geradezustehen hat – peinlich prüfen, welche Bauabschnitte besonders gefahrenträchtig sind, und hier die Leistung der Handwerker besonders genau überwachen. Dies gilt ausdrücklich für alle Abdichtungs-, Dämmungs- und Isolierungsarbeiten, die Ausführung eines Kellers als „weiße Wanne“ und alle Bereiche der Bauphysik. Erforderlichenfalls muss er durch Terminvereinbarungen mit ausführenden Handwerksunternehmen sicherstellen, alle gebotenen Prüfungen vornehmen zu können, denn: „prüfen heißt nicht, blind zu vertrauen“.

In der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs 2018 wurde festgelegt, dass ein Besteller, der das mangelhafte Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, gegen den Bauunternehmer einen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten, sondern im Regelfall nur aufgrund einer Vermögensbilanz (Wertverlust des mangelhaften Bauwerks gegenüber einem Mangelfreien Bauwerk) bemessen kann. Aber: der VII. Senat hat zugleich festgestellt, dass neben dieser Minderung auch Schadensersatzansprüche bestehen können: Beabsichtigt der Bauherr, die Mängel zu beseitigen, kann er trotz seines Schadensersatzverlangens den (später abrechnungspflichtigen) Vorschuss gem. § 634 Nr. 2, § 637 BGB fordern.

Die bisher oft geübte Praxis „erwischter“ Handwerker, sich auf Unzumutbarkeit der Mangelbeseitigung zu berufen, um eine Minderung zu erreichen, und dann lediglich fiktive Mangelbeseitigungskosten zu zahlen, ist endgültig vorbei: Bauherren lassen mit gerichtlicher Rückendeckung Mängel beseitigen, wenn sie ein objektives Interesse an der nicht-erreichten Funktion haben – und Handwerker wie Architekten sind verpflichtet, die hierfür nötigen Vorschusszahlungen zu leisten. Erforderlichenfalls für den kompletten Abriss und Neubau des Gebäudes.

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Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: Mai 2021

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Stand: Mai 2021