Der Wille ist stark – aber das Recht ist schwach …

Baumangelbeseitigung durch den Architekten


BGH, Urteil vom 16.02.2017 –VII ZR 242/13

Kann der Architekt vertraglich bestimmen, dass im Fall eines Baumangels eine Mangelbeseitigung durch den Architekten vorrangig zur Schadensersatzzahlung an den Bauherrn ist?

Sachverhalt
Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit allen Architekturleistungen zur Errichtung eines Gebäudes. Der Architekt unterbreitet einen Vertrag, in dem es u. a. heißt:
Wird der Architekt wegen eines Schadens am Bauwerk auf Schadensersatz in Geld in Anspruch genommen, kann er vom Bauherrn verlangen, dass ihm die Beseitigung des Schadens übertragen wird.“

Das Gebäude wird errichtet – und der Bauherr moniert einen Mangel: der Trockenbauer hat die Wohnungstrennwände so ausgeführt, dass sie nicht hinreichend gegen Schallübertragung schützen. Hierbei hatte er den Plänen des Architekten entsprechend gearbeitet.

Im Rechtsstreit zwischen dem Bauherrn und dem Trockenbauer wird dem Architekten der Streit verkündet. Ein Sachverständiger stellt fest, dass Planungsfehler zum Mangel des Schallschutzes geführt haben; die Mangelbeseitigungskosten werden auf über 65.000 Euro geschätzt.

Nachdem der Trockenbauer den Mangel nicht beseitigt, nimmt der Bauherr jetzt den Architekten in Anspruch und fordert von diesem den Ersatz der Mangelbeseitigungskosten.

Der Architekt beruft sich auf die Selbsteintrittsklausel und bietet an, den Schallschutz nachzuerfüllen. Dies ist für ihn wirtschaftlich interessant, da moderne Trockenbaumaterialien kostengünstiger den gebotenen Schallschutz erreichen, das letzte Gutachten aus dem Jahr 2005 also übersetzte Kosten nach heutigem Stand der Trockenbautechnik ausweist.

Kann der Architekt die Zahlung verweigern und die Mangelbeseitigung selbst vornehmen (lassen)?

Problematik
Der Architekt ist kein Handwerker. Er wird für seinen Auftraggeber anders tätig, indem er das Bauvorhaben sowohl technisch als auch wirtschaftlich begleitet. Seine Haftung ist daher auch völlig unabhängig davon zu beurteilen, ob für einen Baumangel gleichzeitig auch der Bauunternehmer einstandspflichtig sein mag. In den Fällen, in denen sich der Planungsfehler des Architekten durch entsprechende Ausführung durch den Bauunternehmer im Bauwerk realisiert hat, haftet der Architekt regelmäßig nur auf Schadensersatz, weshalb er auch nicht im Wege der Vorschussklage auf Ersatz der Nachbesserungskosten/Nacherfüllungskosten in Anspruch genommen werden kann.

Diese Grundsätze des Rechts haben vorliegend den Architekten dazu veranlasst, eine Selbstvornahmeklausel zu vereinbaren.

Hierbei kann er sich vielleicht auf eine prominente Stelle des Bürgerlichen Gesetzbuchs berufen: In § 249 BGB heißt es für den Schadensersatz u. a.:
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Absatz 1 regelt die sog. „Naturalresitution“ – die körperliche Wiederherstellung des Zustands ohne den Schadenseintritt als Grundfall des Schadensersatzes. Absatz 2 gibt dem Geschädigten allerdings das Wahlrecht, statt der faktischen Wiederherstellung den Geldbetrag zu verlangen.

Der Architekt unseres Falls nahm den Gesetzgeber beim Wort: dem Bauherren stehe ein Wahlrecht zu, und es werde daher mit diesem im Architektenvertrag vereinbart, dass das Wahlrecht von vorneherein dahingehend ausgeübt wird, dass der Grundfall gilt, also Naturalresitution (statt Geldbetrag) als Kompensation vereinbart werde.

Damit würde der Zahlungsanspruch des Bauherrn abzuweisen sein, solange nicht dem Architekten zumindest die (für ihn faktisch kostengünstigere) Möglichkeit einer körperlichen Ertüchtigung des Schallschutzes eingeräumt würde.

Entscheidung
Das OLG Oldenburg hatte dies so gesehen und die Klage des Bauherren abgewiesen. Der Bundesgerichtshof indes hob diese Entscheidung auf und stellte fest, dass der Bauherr einen Anspruch auf Zahlung hat. Allein, weil dessen Höhe noch nicht feststeht, ist der Fall an das OLG zurückverwiesen worden, zur weiteren Prüfung und abschließenden Entscheidung.

Der BGH hält die Klausel „Wird der Architekt wegen eines Schadens am Bauwerk auf Schadensersatz in Geld in Anspruch genommen, kann er vom Bauherrn verlangen, dass ihm die Beseitigung des Schadens übertragen wird.“ für unwirksam.

Die Mehrfachverwendung des Architektenvertrags unterwirft dessen Inhalt unter die Rechtsprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB). Hiernach ist jede Klausel unwirksam, die gegen das gesetzliche Leitbild verstößt und den Vertragspartner unangemessen benachteiligt.

Dies mag den Leser zunächst verwundern, entspricht doch der Vorrang der Naturalresitution gerade dem gesetzlichen Leitbild des oben zitierten § 249 BGB. Aber der für Bausachen zuständige VII. Senat des Bundesgerichtshofs urteilt anders.

Hat der Architekt die von ihm geschuldeten Planungs- und Überwachungsleistungen mangelhaft erbracht, und hat der Auftraggeber deswegen das Bauwerk nicht so erhalten wie als Ziel der vom Architekten geschuldeten Mitwirkung vereinbart, besteht der Schaden des Auftraggebers darin, dass er für das vereinbarte Architektenhonorar im Ergebnis ein Bauwerk erhält, das hinter dem im Architektenvertrag als Ziel vereinbarten Bauwerk zurückbleibt. Dies ist ein anderer Schaden als derjenige, der vorliegend im fehlenden Schallschutz besteht – er muss deshalb auch anders behandelt werden.

Die Naturalrestitution würde vorliegend bedeuten, dass der Architekt nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herstellen müsste, der bestehen würde, wenn er nicht mangelhaft geleistet hätte. Ohne den Planungsmangel wäre es dem Auftraggeber möglich gewesen, das Bauwerk wie gewünscht, insbesondere ohne Mängel, durch den Bauunternehmer entstehen zu lassen.

Allein hierauf bezieht sich der Schadensersatz: Der Architekt hat dem Auftraggeber als Schadensersatz die Mittel zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Kompensation des verletzten Interesses benötigt.

Daher entsprach die Selbstvornahmeklausel des Architektenvertrags nicht dem gesetzlichen Leitbild, sondern widersprach ihm.

Da dies auch unangemessen benachteiligend war, verwarf der BGH die Klausel.

Die Klausel schnitt dem Auftraggeber z. B. die Möglichkeit des Schadensersatzes in Höhe des Minderwerts bei unverändertem Behalt des Zustands ab. Auch würde der Auftraggeber nicht entscheiden können, wie die andere Ausführung geplant werde, nachdem sich die bisherige Planung als nicht sinnhaft erwiesen hat. Zuletzt wäre dem Bauherrn auch die Auswahl des Bauunternehmers genommen, der dann die andere Ausführung vornimmt. Entweder beeinträchtigte diese Auswahl durch den Architekten die vertraglichen (Gewährleistungs-)Ansprüche des Bauherrn gegenüber dem jetzigen Trockenbauer, oder sie würde ihn zur Duldung der erneuten Vornahme durch den jetzigen Trockenbauer zwingen, auch wenn der Bauherr diesen (warum auch immer) nicht mehr heranziehen möchte.

Ohne die verworfene Klausel aber musste die Entscheidung auf Verurteilung des Architekten lauten – der BGH hat daher die anderslautende Entscheidung des OLG Oldenburg aufgehoben.

Eine Möglichkeit indes hat der Architekt noch: Jeder Geschädigte ist beim Fordern eines Schadensersatz aus § 254 BGB verpflichtet, nur die notwenige Kompensation zu verlangen; eine Überkompensation oder gar ein Gewinn des Geschädigten finden im deutschen Schadensrecht nicht statt.

Der Architekt könnte also vorliegend dem Bauherrn noch belegen, dass durch Verwendung neuerer Trockenbaumaßnahmen ein günstigerer Ausgleich des Schadens möglich wäre; durch diesen Einwand könnte der Architekt eine geringere Schadensersatzzahlung verlangen. Dies hat der BGH in der Entscheidung festgestellt und eben aus diesem Grund den Fall an das OLG Oldenburg zurück verwiesen, dass sich jetzt mit diesem Einwand auseinandersetzen muss. Es ist also durchaus möglich, dass der Architekt jedenfalls nicht die bisher streitige Summe zahlen muss.

Auswirkung für die Praxis
Wer eine solche Klausel in seinem Architekten- oder Ingenieurvertrag verwendet, mag über eine Vertragsanpassung nachdenken (die ohnehin in den kommenden Monaten durch die Änderungen des Bauvertragsrechts in Betracht kommt). Ansonsten kann einem Architekten nur angeraten werden, mit dem Haupthandwerker zu kooperieren, wenn er der Auffassung ist, eine Naturalrestitution sei vorzugswürdig gegenüber der reinen Schadenszahlung.

Vorliegend wäre der Streit entbehrlich geblieben, wenn der Trockenbauer anlässlich der Mangelanzeige an ihn tätig geworden wäre – der Architekt hätte sich hierbei durchaus einbringen können. Tut er dies nicht, ist er nach der ständigen und vorliegend auch bestätigten Rechtsprechung des BGH zur reinen Geldzahlung als Kompensation verpflichtet und kann keine andere Wiedergutmachung verlangen.

Natürlich mag es auch Fälle geben, in denen dem Bauherrn anzuraten wäre, den Architekten selbst handeln zu lassen, um den Schaden (den Mangel im Bauwerk) zu beseitigen.

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann
Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: Oktober 2016

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Stand: Oktober 2016