Totgesagte leben länger – die HOAI 2020

Neue Gesetzesgrundlage und neue Honorarorientierung


Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 04.07.2019 festgestellt, dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Nun wurde reagiert, und neben der Gesetzesgrundlage wird an entsprechenden Stellen der HOAI nachgebessert. Ein Überblick.

Fundstelle:

Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 52 vom 18.11.2020

Gesetzesgrundlage

Das „O“ in HOAI steht für „Ordnung“, was rechtstechnisch eine Rechtsverordnung meint. Dies sind „kleine Gesetze“, nämlich Rechtsnormen, die durch die Exekutive (Regierungs- oder Verwaltungsorgane) erlassen werden, und eben nicht durch das Parlament, welches als gesetzgebendes Organ (Legislative) eigentlich zuständig wäre.

Solche Rechtsverordnungen bedürfen ihrerseits einer Erlaubnis durch eben diesen Bundesgesetzgeber: der Bundestag erlässt ein formelles Gesetz, in dem angegeben ist, dass z.B. die Bundesregierung ermächtigt wird, eine Verordnung zu erlassen – und der Gesetzgeber bestimmt hierin auch direkt Schranken und Grenzen dieser Verordnung, soweit geboten.

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure besteht auf Basis des „Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen“ aus dem Jahr 1971 – und diese Ermächtigungsgrundlage (dieses Gesetz zur Ermächtigung der Bundesregierung) wurde nunmehr am 12.11.2020 angepasst.

Die Neuregelungen sind durch Bekanntgabe im Bundesgesetzblatt am 18.11.2020 verkündet und sind am Folgetag in Kraft getreten. Hierin steht u.a.:

„§ 1. Ermächtigung zum Erlass einer Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen und Folgendes zu regeln:

  1. die Grundlagen und Maßstäbe zur Berechnung von Honoraren,
  2. Honorartafeln zur Honorarorientierung für Grundleistungen, auch in Abgrenzung zu besonderen Leistungen,
  3. eine Regelung, wonach bestimmte in den Honorartafeln angegebene Honorarsätze für Grundleistungen für den Fall als vereinbart gelten, dass keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen wurde,
  4. die bei der Honorarvereinbarung einzuhaltende Form und die zu beachtenden Hinweispflichten.

Bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung nach Satz 1 Nummer 2 ist den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen. Diese sind an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung des Ingenieurs oder Architekten auszurichten.

(2) Grundleistungen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 und 3 sind Leistungen, die regelmäßig im Rahmen von Flächen-, Objekt- oder Fachplanungen auszuführen sind. Sie umfassen insbesondere auch Leistungen der Beratung, Planung, Maßnahmendurchführung sowie Leistungen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren.“

Der hierdurch ermächtigte Verordnungsgeber – die Bundesregierung – hat auch bereits den nächsten Schritt unternommen: der Entwurf einer neuen HOAI liegt vor und wurde durch die entscheidenden Gremien bereits bestätigt. Er kann (und wird) somit ab 1. Januar 2021 gelten.

Neuregelungen in der HOAI

Bereits aus der Ermächtigungsgrundlage sind ein paar gravierende Änderungen abzulesen – die wohl größte Änderungen ist in Ziff. 3 enthalten: „eine Regelung, wonach bestimmte in den Honorartafeln angegebene Honorarsätze für Grundleistungen für den Fall als vereinbart gelten, dass keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen wurde“.

Das bisherige System von Mindest- und Höchstsätzen ist hierdurch Geschichte. Stattdessen gilt: die Regelungen der HOAI gelten als Mindestsatz dann, wenn keine sonstige Honorarvereinbarung wirksam vereinbart wird.

Das Planerhonorar kann und darf also künftig frei vereinbart werden: als Pauschale, auf Stundenbasis oder nach der Systematik der HOAI. Zu- oder Abschläge können ebenso frei verhandelt werden. Die HOAI bleibt bestehen und gibt Grundlage und Maßstab sowie Honorarorientierung für Grundleistungen sowie die Abgrenzung zu besonderen Leistungen und kann (unverändert oder mit Änderungen) als Honorargrundlage weiterhin vereinbart werden.

Die weiterhin vorhandenen Honorartafeln stellen Orientierungswerte dar: Es gibt nunmehr ein sog. „Basishonorar“, welches dem bisherigen Mindestsatz entspricht, und weiterhin Honorarspannen, sodass es auch weiterhin Obergrenzen abzulesen gibt.

Eine weitere beachtliche Änderung betrifft die Honorarvereinbarung, die bisher bei Auftragserteilung in Schriftform erfolgen musste und hiernach nicht nachgeholt werden konnte. Die Freiheit der Parteien wird hier deutlich erhöht: es reicht die Textform aus, was insbesondere Telefax und E-Mail (aber grundsätzlich auch SMS oder Nachrichten über Messengerdienste wie WhatsApp) umfasst. Und: die Vereinbarung kann jederzeit vor, während und nach der Vertragslaufzeit wirksam getroffen werden.

Allerdings: dies muss auch geschehen. Bei völligem Fehlen jeglicher Vereinbarung gilt der Basishonorarsatz als vereinbart – die Honorarberechnung erfolgt dann wie bisher auch nach den Honorargrundlagen der HOAI.

Hierbei gilt gegenüber Verbrauchern noch eine Besonderheit: In § 7 HOAI („Honorarvereinbarung“) wird ein neuer Absatz 2 eingefügt:

„(2) Der Auftragnehmer hat den Auftraggeber, sofern dieser Verbraucher ist, vor Abgabe von dessen verbindlicher Vertragserklärung zur Honorarvereinbarung in Textform darauf hinzuweisen, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln dieser Verordnung enthaltenen Werte vereinbart werden kann. Erfolgt der Hinweis nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig, gilt für die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Grundleistungen anstelle eines höheren Honorars ein Honorar in Höhe des jeweiligen Basishonorarsatzes als vereinbart.“

Unterlässt der Architekt oder Ingenieur vor Vertragsschluss (!) diesen Hinweis, dass ein Honorar außerhalb der HOAI vereinbart werden kann, nimmt er dem Verbraucher die Möglichkeit, solches mit ihm zu vereinbaren. Damit wird er wegen des Fehlens dieses Hinweises auf das Basishonorar der HOAI gestutzt, kann also kein höheres Honorar verlangen (das steht in Abs. 2) – ein niedrigeres Honorar als das Basishonorar bleibt indes auch ohne Hinweiserteilung bestehen (was gilt, weil dazu nichts in Abs. 2 steht).

Neben ein paar weiteren Kleinigkeiten ist noch anzumerken, dass die bisherige Regelung zur Fälligkeit in § 15 HOAI ersatzlos gestrichen wird. Die Honorarordnung wird sich also nicht mehr zur Fälligkeit äußern – diese ist dann wie bei fast allen anderen Vertragsansprüchen aus dem BGB zu ermitteln. Für Architekten und Ingenieure gelten dann die grundsätzlichen Vorgaben des Werkvertragsrechts, mit der Voraussetzung der Abnahme, aber auch den Möglichkeiten z.B. für Abschlagszahlungen.

Auswirkung für die Praxis

Die neue HOAI gilt für alle Architekten und Ingenieure – nicht mehr nur für solche mit Sitz im Inland. Auch dies ist eine Reaktion auf die gegenteiligen Auffassung des EuGH zur bisherigen HOAI; der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber hatte zwar versucht, die Unwirksamkeit aus diesem Aspekt zu vermeiden, hat aber vor dem Europäischen Gerichtshof hiermit keinen Erfolg gehabt.

Die neue HOAI gilt für Verträge, die nach dem 1. Januar 2021 geschlossen werden.

Auch wenn Honorare nunmehr in Textform einfach anders vereinbart werden können – und wenn Verbrauchern gegenüber auch der gebotene Hinweis erfolgt ist –, bleibt die HOAI als Basishonorarordnung gültig, wenn keine Vereinbarungen getroffen wurden.

Architekten und Ingenieuren muss (mehr als bisher) angeraten werden, ihre Honorarinteressen im Auge zu behalten – jede auch noch so kleine Honorarvereinbarung hebelt im Zweifelsfall die Geltung der HOAI aus, und ob das, was dann im Einzelfall als vereinbart gilt, auch auskömmlich ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die HOAI wird dennoch weiterhin für eine Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit verschiedener Angebote von Architekten insbesondere für institutionelle und staatliche Auftraggeber sowie im formellen Vergabebereich weiterhin ihre Anwendung finden. Letztlich haben wir uns alle an sie gewöhnt – und eine Abrechnung gemäß der Vorgaben der HOAI hat sich auch in der überwiegenden Zahl der Fälle als ausgewogen und nutzbar für beide Vertragsseiten erwiesen.

Man kann sie also auch einfach durch die Honorarvereinbarung „Es gilt das Honorar der HOAI“ weiterhin gewollt und gezielt einbinden.

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Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

Autor der Veröffentlichung: RA Heiner Endemann

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Stand: November 2020

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Stand: November 2020